Bauletter, BAULINKS.de-Meldungen, vom 23.2.2016

Frühling auf dem Ölmarkt?

Was Beobachter des Ölmarktes schon seit Monaten erwarteten, ist eingetreten: Die größten Exporteure, angeführt von Saudi-Arabien und Russland, haben das Gespräch über ihre Fördermengen und damit auch über das weltweite Angebot aufgenommen. Das bedeutet in der Praxis auch, dass in den seit Juni 2014 sinkenden Ölpreis eine Gegenbewegung kommen könnte.

Die Einschätzungen der Medien und Experten, ob es sich um einen ernstzunehmenden und aussichtsreichenden Vorstoß oder vielleicht nur um einen taktischen „Bluff“ einiger Exportländer handelt, gehen in diesem Anfangsstadium der Diskussion naturgemäß weit auseinander. Halten wir uns zunächst an die Fakten: Die Öl- und Energieminister von vier Staaten, die als Exporteure von Rohöl und Erdgas großes Gewicht vereinigen, haben sich am Dienstag vor einer Woche darauf verständigt, ihre Öl-Fördermengen bis auf weiteres auf dem Niveau vom Januar einzufrieren. Das sei, so erläuterten sie, lediglich ein „erster Schritt“, dessen Auswirkungen auf den Ölpreis man zunächst abwarten wolle. Auf Grundlage der Ergebnisse werde man später über weitere Maßnahmen sprechen. Die vier Staaten machen die Umsetzung ihres Vorschlag jedoch davon abhängig, dass sich die wichtigsten anderen Exportländer anschließen.

Erstes Treffen OPEC-Russland seit 15 Jahren

Die vier Minister, die sich am 16. Februar in Doha, der Hauptstadt des kleinen arabischen Fürstentums Katar am Persischen Golf trafen, vertreten Saudi-Arabien, Venezuela, das Gastgeberland und Russland. Das war an sich schon eine Sensation.

Saudi-Arabien liegt unter den Ölexporteuren an erster Stelle, Russland an zweiter. Saudi-Arabien, Venezuela und Katar sind Mitglieder der einflussreichen Organisation Erdölfördernder Länder (OPEC), Russland nicht. Der letzte Versuch einer Verständigung zwischen der OPEC und Moskau über die Förder- und Exportmengen liegt 15 Jahre zurück. Russland habe sich an die damalige Eingung nicht gehalten, behauptet die OPEC. Dieser Vorwurf lässt sich schwer beurteilen. Wichtig ist zunächst einmal, dass das lange unterbrochene direkte Gespräch wieder aufgenommen wurde.

Dass eine verbindliche, real praktizierte Einigung auf eine Obergrenze des Ölexports schwierig werden würde, war von Anfang an zu erwarten. Die Wirtschaft und die Etats der meisten Exportländer hängen zu über 50%, in Einzelfällen sogar zu 75 oder 90%, von den Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport ab. Sie sind Konkurrenten auf einem zur Zeit schwierigen und stark umkämpften Markt. Andererseits bedroht das gegenwärtige niedrige Preisniveau sie mehr oder weniger, kurz- oder längerfristig, alle. Venezuela als vermutlich am schwersten betroffenes Förderland steht kurz vor dem Staatsbankrott. Saudi-Arabien ruht vergleichsweise sicher auf Finanzreserven von immer noch über 500 Milliarden Dollar. Aber Experten haben errechnet, dass sogar die Saudis beim heutigen Preisniveau in ungefähr fünf Jahren pleite wären. Das Königreich hat im laufenden Jahr ein Haushaltsdefizit von über 100 Milliarden Dollar und denkt über den Verkauf von Anteilen seiner staatlichen Ölgesellschaft ARAMCO nach.

Vor diesem Hintergrund ist nicht überraschend, dass die Saudis schon zwei Tage nach der Einigung von Doha einen öffentlichen Teilrückzieher machten. Man wolle seinen Marktanteil verteidigen, verkündete Außenminister Adel al-Dschubeir, der mit 54 Jahren ein vergleichsweise junger und oft betont scharf formulierender Politiker ist. Seine Äußerung ist in erster Linie mit Blick auf den Iran zu sehen. Der Schiitenstaat einerseits und das streng sunnitische Saudi-Arabien andererseits sind nicht nur Konkurrenten um die Vormacht in der Region, sondern auch politische und ideologische Gegner.

Iran fordert Sonderregelung

Unter den Erdöl fördernden und exportierenden Ländern nimmt Iran eine Sonderstellung ein, da es bis Mitte Januar durch eine Vielzahl internationaler Sanktionen beschränkt war. Dadurch war Iran zwar nicht vollständig vom internationalen Ölmarkt ausgesperrt, aber seine Exportmenge war auf rund 1 Million Barrel pro Tag besgrenzt. Die Regierung in Teheran strebt als öffentlich erklärtes Ziel an, den Export möglichst schon innerhalb eines Jahres wieder auf den Umfang zu steigern, den er vor der Verhängung der auf diesem Gebiet schwerwiegendsten Sanktionen im Jahre 2012 hatte. Als Ziel wird 2,1 Millionen Barrel pro Tag genannt. Ob das grundsätzlich realistisch ist, müsste sich erst noch zeigen. Von iranischer Seite wird die seit Aufhebung der Sanktionen im Januar erreichte Steigerung der Fördermenge mit etwa 300.000 Barrel pro Tag angegeben. Ob das stimmt, wird man wohl erst in einigen Monaten wissen. Aktuell vereinbarte Verkäufe nach Europa, vor allem nach Frankreich und Italien, erledigt Iran hauptsächlich aus den Vorräten, die es während der Sanktionen angelegt hat. Nach offiziellen Angaben handelt es sich um 12 Millionen Barrel Rohöl und 24 Millionen Barrel Kondensate.

In ersten Stellungnahme haben das iranische Ölministerium und andere Politiker die Einigung von Doha zwar ausdrücklich begrüßt, aber eine Sonderregelung für ihr eigenes Land gefordert, die die Auswirkungen der gerade erst beendeten jahrelangen Sanktionen berücksichtigt. Ein Einfrieren der Fördermenge auf das Januar-Niveau, wie in Doha vorgeschlagen, käme praktisch einer Wiedereinführung der Sanktionen durch die Hintertür gleich. Auf dieser Basis wird Iran wahrscheinlich nicht zustimmen.

Das muss aber auch den vier Staaten bewusst gewesen sein, die diesen Vorschlag in die Welt setzten. Dass Stichwort heißt jetzt "Flexibilität", Abstriche von den jeweils eigenen Ausgangspositionen der Akteure. Offenbar sind viele ölexportierende Länder dazu bereit, weil ihnen kaum eine andere Wahl bleibt als der Versuch, gemeinsam „an einem Strang zu ziehen“, um den Niedergang des Ölpreises aufzuhalten und umzukehren.

Dass tatsächlich in diese Richtung gedacht und gehandelt wird, war schon am Tag nach dem Treffen in Doha zu erkennen: In der iranischen Hauptstadt Teheran hatte Ölminister Bijan Zanganeh am 17. Februar seine Kollegen aus Venezuela, Katar und dem Irak zu Gast, um die begonnene Diskussion fortzusetzen. Politiker sind selten in der Lage, solche Begegnungen spontan zu improvisieren. Daher kann man davon ausgehen, dass das Gespräch in Teheran schon im Vorfeld des Treffens in Doha und im Zusammenhang mit dem dort verkündeten Vorschlag vereinbart worden war.

OPEC-Konferenz schon im März?

Presseberichten zufolge wollten die Erdölminister von Venezuela und Katar im Anschluß an das Gespräche in Teheran auch andere Exportländer besuchen. Namentlich genannt wurden das im Osten der arabischen Halbinsel gelegene Oman sowie die früheren Sowjetrepubliken Kasachstan und Aserbaidschan. Die drei Staaten sind nicht Mitglieder der OPEC. Angesprochen werden soll unter anderem auch Mexiko, das gleichfalls nicht der OPEC angehört. Darüber hinaus haben die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait Zustimmung zum Vorschlag von Doha signalisiert.

In den kommenden Wochen ist mit intensiven Gesprächen zwischen den ölexportierenden Ländern zu rechnen, die Mitglieder und Nicht-Mitglieder der OPEC näher zusammenbringen werden. Die nächste reguläre Konferenz der OPEC-Staaten ist im Juni fällig. Vor allem Venezuela, das sich in einer ernsten wirtschaftlichen und politischen Krise befindet, drängt aber auf eine Sondersitzung schon im März. Es scheint nicht völlig ausgeschlossen, dass daran oder an der Konferenz im Juni auch einige Nichtmitglieder teilnehmen könnten.

Die Auswirkungen des Treffens in Doha ließen den Ölpreis in den ersten Tagen um mehr als 14% ansteigen, wie das Handelsblatt am 18. Februar meldete. Ob sich die Trends der Diskussion unter den Produzenten einerseits und des Ölpreises andererseits stabilisieren, lässt sich zu diesem Zeitpunkt nicht voraussagen, sondern muss genau beobachtet werden. Sicher scheint, dass es sich nicht nur um einen „Bluff“ handelt, mit dem einige Produzenten Kurzzeit-Wirkungen erzielen wollen. Ein derartiger Versuch wäre nach Einschätzung der TEXXOL Mineralöl AG von vornherein zum Scheitern verurteilt. Man kann aber davon ausgehen, dass die verantwortlichen Politiker für ein so plumpes Kalkül zu klug sind.

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