Bauletter, BAULINKS.de-Meldungen, vom 10.11.2015

Otto von Guericke-Preis 2015 für textilbasierte Sensoren in Verbundwerkstoffen

Große oder schwer zugängliche Bauteile aus Verbundwerkstoffen, wie beispielsweise Rotorblätter oder Baukonstruktionen, müssen aus Sicherheitsgründen kontinuierlich auf Materialermüdung und Verschleiß kontrolliert werden. Bislang waren diese Prüfver­fah­ren nicht nur mühsam, sondern auch kostenintensiv. Prof. Dr.-Ing. Chokri Cherif und seine Mitarbeiter Dipl.-Ing. Eric Häntzsche und Dipl.-Ing. Tristan Ruder vom Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik der TU Dresden wollen hier Abhilfe schaffen: Im Rahmen eines Projekts der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) haben die Wissenschaftler eine Technologie entwickelt, die eine kontinuierliche Überwachung der Bauteile ermöglicht und damit aufwändige Prüfverfahren überflüssig macht.

Für ihre Verdienste wurden die Wissenschaftler von der AiF Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen im Rahmen der AiF-Veranstaltung „FORSCHER Mittelstand“ am 4. November in Berlin mit dem Otto von Guericke-Preis 2015 aus­ge­zeichnet. Der Preis wird einmal im Jahr für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der IGF vergeben und ist mit 10.000 Euro dotiert. Die vorwettbewerbliche IGF wird im Innovationsnetzwerk der AiF und ihrer 100 Forschungsvereinigungen organisiert und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit öffentlichen Mitteln gefördert.

Sensorische Netzwerke erkennen Schäden

Wie viele andere Bauteile im Automobil-, Maschinen - und Ingenieur- und Anlagenbau bestehen Rotorblätter aus Faserverbundwerkstoffen. Derartige Composite- Bauteile werden aus sicherheitstechnischen Gründen oft gezielt überdimensioniert angefertigt. Die Bauteile sind dadurch weniger anfällig gegenüber strukturellen Beanspruchungen, wie sie beispielsweise durch unvorhersehbare stärkere Sturmböen auftreten können. Außerdem müssen die überdimensionierten Rotorblätter seltener gewartet werden, da kleinere alterungsbedingte Schäden wie Risse auf einer großen Querschnittsfläche weniger ins Gewicht fallen. Diese Zugeständnisse an die Sicherheit (allgemein bekannt als „Angstzuschlag“) haben buchstäblich ihren Preis: Neben einem gesteigerten Ressourcenverbrauch treibt die Überdimensionierung auch die Fertigungskosten in die Höhe.

Zudem können Prüfverfahren an solchen Großbauteilen bislang nur bei völligem Still­stand der Anlage durchgeführt werden. Aufgrund der Ergebnisse des ausgezeichneten IGF-Projekts, das vom AiF-Mitglied Forschungskuratorium Textil e.V. (FKT) koordiniert wurde, sollen langfristig sowohl die Bauteilüberdimensionierung als auch die Stilllegung der Anlage zu Prüfzwecken überflüssig werden: Die Forscher haben Sensoren ent­wi­ckelt, die in Form von Fäden in den Werkstoff eingearbeitet und danach zu sen­so­ri­schen Netzwerken verschaltet werden. Damit soll eine hundertprozentige Über­wa­chung der Composite-Bauteile möglich sein. „Die Sensoren erlauben die präzise Loka­li­sierung aller strukturkritischen Veränderungen.“, erklärt Prof. Chokri Cherif. „So er­ken­nen wir frühzeitig potentielle Schadstellen und können aufwändige Folgere­pa­ra­tur­kosten vermeiden.“ Mit den textilbasierten Sensoren wird mittelfristig eine Über­di­men­sio­nierung der Bauteile aus Sicherheitsgründen unnötig. Das spart neben Ressourcen auch Energie und senkt die CO2-Emissionen bei der Produktion der Rotorblätter.

Die Ergebnisse des IGF-Projekts sind auf dem Weg in die industrielle Praxis. Die CAR­BON ROTEC GmbH & Co. KG sieht als Hersteller von Rotorblättern für Wind­ener­gie­an­lagen großes Potential in der neuen Technologie und möchte sie nutzen, um damit neue Absatzmärkte zu erschließen. „Das Projekt ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie die IGF branchenübergreifend zu neuen Ergebnissen führt.“, erklärt Dr. Klaus Jansen, Geschäftsführer der Forschungsvereinigung FKT. ... Darüber hinaus mischt Prof. Cherif auch beim Carbonbeton C³ (vorletzter Beitrag heute). Auch hierbei soll Sensorik direkt in die Wand eingebaut werden können und die unmittel­bare Überwachung des Gebäudezustands erlauben.

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