Bauletter, BAULINKS.de-Meldungen, vom 28.4.2016

Bilanz von Naturkatastrophen seit 1900

Mehr als sieben Billionen US-Dollar wirtschaftlichen Schaden und acht Millionen Tote durch Naturkatastrophen seit Beginn des 20. Jahrhunderts - diese Bilanz hat der Geo­physiker James Daniell vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erstellt. Die von ihm entwickelte Datenbank CATDAT greift auf sozioökonomische Indikatoren zurück und bildet die Grundlage für ein Schadensmodell, das Regierungen und Hilfsorga­ni­sa­tionen beim Abschätzen des Ausmaßes einer Katastrophe und dem Katastrophen­ma­na­ge­ment unterstützt. Seine Ergebnisse stellt Daniell heute bei der Jahresversammlung der European Geosciences Union in Wien vor.

Für CATDAT hat James Daniell bislang mehr als 35.000 Katastrophenereignisse welt­weit ausgewertet. Demnach verursachten zwischen 1900 und 2015 ...
  • Flutkatastrophen ein Drittel des wirtschaftlichen Gesamtschadens,
  • Erdbeben 26%,
  • Stürme 19% und
  • Vulkanausbrüche einen Prozent.
„In den vergangenen hundert Jahren haben die wirtschaftlichen Schäden durch Natur­katastrophen pro Jahr - absolut gesehen - zugenommen“, erklärt Daniell, der am KIT sowohl am Geophysikalischen Institut als auch am Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology CEDIM forscht und John Monash Scholar ist. Während auf den gesamten Zeitraum gesehen Flutkatastrophen die größten Verursacher wirt­schaftlicher Schäden sind, geht in der jüngeren Vergangenheit, seit 1960, mit 30% der größte Anteil auf Stürme (und Sturmfluten) zurück.

Relativ werden die Schäden WENIGER!

In Relation zum jeweiligen Wert von Infrastruktur und Gebäuden in einem Land (Brut­to­anlagevermögen) nehmen die Schäden allerdings ab. „Grundsätzlich sind weniger entwickelte Länder durch Katastrophen verwundbarer, das heißt - bezogen auf Be­völ­kerungszahl und Vermögen - sind mehr Tote und ein höherer wirtschaftlicher Schaden zu befürchten als in besser entwickelten Ländern“, so der Geo­physiker und Bau­in­ge­nieur. Ein häufiger Grund sei, dass entsprechende Baurichtlinien nicht um­ge­setzt würden. Zudem bildeten, wie etwa in Bangladesh, die Küstenregionen die wirtschaftlichen Zentren und sind entsprechend stark besiedelt.

Für seine Analysen setzt er auf sozioökonomische Indikatoren wie ...
  • Bevölkerungsentwicklung,
  • Verbraucherpreisindices,
  • Bruttoinlandsprodukte, Kapitalstock sowie
  • Daten zu Nahrungsmittelsicherheit und Bausubstanz
... in den jeweils betroffenen Ländern. Um die Entwicklung der sozioökonomischen Verwundbarkeit (Vulnerabilität) im Lauf der Zeit untersuchen zu können, hat er die Schäden auf das Jahr 2015 normalisiert. „Hier zeigt sich der klare Trend, dass viele Länder etwa Gebäude besser gegen Naturkatastrophen schützen, so verringern sie ihr Risiko hoher Schäden“, sagt Daniell. Auch der verbesserte Hochwasserschutz wirke sich deutlich aus, nachdem es zwischen 1900 und 1960 hinweg sehr hohe Schäden vor allem durch Flutkatastrophen gab. Ein deutlicher Rückgang wirtschaftlicher Schäden ließe sich etwa seit 1950 in China und Japan beobachten.

Abhängig davon, ob man die Schäden über den Verbraucherpreisindex oder den Baupreisindex auf das Niveau von 2015 anpasst, ergibt sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine weltweite Naturkatastrophen-Schadensbilanz zwischen 6,5 und 14 Billionen US-Dollar. Die von Daniell ermittelten sieben Billionen basieren auf der Anpassung über einen Preisindex des Bruttoinlandsprodukts (BIP-Deflator). „Oft ist es unmöglich, eine genauere Zahl für ein Ereignis zu erhalten, da Schäden sehr schwierig zu schätzen sind, auch Todeszahlen werden häufig zunächst häufig überschätzt, zum Beispiel beim Erdbeben in Haiti 2010, oder unterschätzt, wie beim Beben in Usbekistan 1966“, sagt er und nennt deshalb in seiner Forschung Ober- und Untergrenzen.

Japan 2011 bislang am teuersten

Im Hinblick auf den größten wirtschaftlichen Schaden belegt das Jahr 2011 mit schweren Erdbeben in Japan und Neuseeland den Spitzenplatz: „Mit 335 Milliarden Dollar Direktschäden ist das Tohoku-Erdbeben mit Tsunami und Nuklearunfall am 11. März 2011 bislang die teuerste Naturkatastrophe überhaupt“, so James Daniell. Bei dem Beben mit nachfolgendem Tsunami starben ca. 18.500 Menschen, 450.000 wurden obdachlos.

Tote durch Naturkatastrophen

Mehr als acht Millionen Tote durch Erdbeben, Flut, Sturm, Vulkanausbruch und Buschfeuer seit 1900 sind in der Datenbank CATDAT verzeichnet (ohne die Toten durch Langzeitfolgen, Trockenheit und Hungersnot).

Die Zahl der Toten durch Erdbeben zwischen 1900 und 2015 liegt nach Daniells Daten bei 2,32 Millionen (Schwankungsbereich: 2,18 bis 2,63 Millionen):
  • Die meisten von ihnen - 59% - starben durch zerstörte Backsteingebäude,
  • 28% durch sekundäre Effekte wie Tsunamis und Erdrutsche.
  • Durch Vulkanausbrüche starben im gleichen Zeitraum 98.000 Menschen (Schwankungsbereich: 83.000 bis 107.000). Verheerende Vulkanausbrüche vor 1900, wie der des Tambora 1815, können jedoch zu sehr hohen Todeszahlen und sich beispielsweise mit sinkenden Temperatungen weltweit auswirken, etwa auf die Nahrungsmittelsicherheit.
„Die absolute Zahl der jährlichen Toten durch Naturkatastrophen ist über die Jahre hinweg leicht gesunken – in Relation zum Bevölkerungswachstum sogar deutlich. Derzeit liegt sie bei etwa 50.000“, erläutert Daniell. „Auf den gesamten Zeitraum gesehen, also zwischen 1900 und 2015, starb die Hälfte von ihnen durch Flut­ka­tas­trophen. Dank besserer Vorbereitung und Analysen nimmt dieser Anteil aber ab. Seit 1960 haben Erdbeben mit 40 Prozent den größten Anteil.“ Verglichen mit der weltweiten Sterberate sei die Rate der Todesopfer durch Naturkatastrophen relativ konstant geblieben.

Mit jeweils mehr als 100.000 Toten gehören der Tsunami 2004 im Indischen Ozean (ca. 230.000) und der Zyklon Nargis 2008 (ca. 140.000) in Myanmar zu den schwersten Katastrophen der jüngeren Vergangenheit. Das Ereignis mit den bislang meisten Todesopfern ist das Hochwasser 1931 in China mit 2,5  Millionen Toten.

Baulinks-Beiträge vom 28. April 2016

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