Bauletter, BAULINKS.de-Meldungen, vom 28.1.2017

Ohne Wasser keine Ernährungssicherung

70% des weltweit genutzten Süßwassers werden für die Bewässerung landwirtschaft­licher Flächen genutzt. Gleichzeitig wirken sich Rückstände von Dünge- und Pflan­zen­schutz­mitteln negativ auf die Wasserqualität aus. Faktoren wie Wirtschaftsentwicklung, Bevölkerungswachstum und Urbanisierung lassen die Konkurrenz um Wasser steigen.
  • Wie kann also die Landwirtschaft ihrer Aufgabe, eine wachsende Weltbe­völ­ke­rung mit Nahrungsmitteln zu versorgen, vor diesem Hintergrund gerecht wer­den?
  • Und welchen Beitrag kann der Sektor zum nachhaltigen Umgang mit der wert­vollen Ressource Wasser leisten?
Diese Fragen standen im Zentrum des 9. Global Forum for Food and Agriculture in Berlin, das sich dem Thema vom 19. bis 21. Januar mit zehn Fachpodien, zwei High Level Panels und einem Internationalen Wirtschaftspodium widmete.

„Zugang zu Wasser ist ein Menschenrecht!“, sagte der Generaldirektor der UN-Ernäh­rungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), José Graziano da Silva, zur Eröffnung des High Level Panels seiner Organisation. Doch ist die Umsetzung dieses Rechts längst nicht überall gegeben. Mit 1,2 Mrd. Menschen lebt heute bereits knapp ein Fünftel der Weltbevölkerung in Regionen mit großer Wasserknappheit. Im Jahr 2025 werden es laut dem Umweltbericht der Vereinten Nationen rund 1,8 Mrd. Men­schen sein. Gleichzeitig werden immense Mengen an Wasser verschwendet. So geht ein Drittel der für die menschliche Ernährung produzierten Lebensmittel verloren, ...
  • weil sie - meist in den Industrieländern - in den Mülleimer wandern oder
  • weil - wie in vielen Entwicklungsländern - Möglichkeiten zur richtigen Ernte, zur Lagerung, zum Transport oder zur Weiterverarbeitung fehlen.
„Das Wasser, das dadurch verschwendet wird, entspricht dreimal der Wassermenge des Genfer Sees“, veranschaulichte der FAO-Generaldirektor die Dimensionen.

Hinzu kommt der Klimawandel, der sowohl ausgeprägte Dürreperioden als auch sint­flut­artige Regenfälle nach sich zieht und damit die Anbaubedingungen in vielen Regio­nen der Welt zusätzlich verschlechtert. „Wetterveränderungen hat es immer gegeben, aber die Welt ist heute sehr viel verwundbarer“, so Johannes Cullmann von der Welt­or­ganisation für Meteorologie. Die Landwirtschaft, die einer der Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen ist, biete zugleich die größten Chancen für Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. Allerdings seien etwa 70 Länder in der Welt nicht in der Lage, die nötigen Klima- und Wetterdaten bereitzustellen. Diese sind aber nötig, um beispielsweise den Landwirten Empfehlungen für den Anbau an die Hand zu geben.

Und die variieren von Region zu Region ganz erheblich. Beispiel Israel: 60% der Agrar­flächen des kleinen Landes liegen in ariden beziehungsweise semiariden Regionen. Forschung zur Entwicklung wassersparender Technologien hat daher oberste Priorität, wie Itzik Ben David vom israelischen Agrarministerium berichtete: „Israel ist Vorreiter in der Tröpfchenbewässerung, die für eine maximale Effizienz in der Bewässerung sorgt.“ Auch wird die Abwasseraufbereitung forciert, um Wasser für die Landwirtschaft bereitzustellen. Zudem hat die Regierung ein dynamisches Preissystem entwickelt, bei dem die Konsumenten die tatsächlichen Kosten des Wasserverbrauchs tragen. Die Wasservergabe an landwirtschaftliche Unternehmen wird über ein Quotensystem geregelt, wobei der Preis für aufbereitetes Wasser bei einem Drittel des regulären Wasserpreises liegt.

Für die Landwirte in Entwicklungsländern kommt es nicht in Frage, für Wasser zu zahlen, gab Monty Jones, Landwirtschaftsminister von Sierra Leone und Träger des Welternährungspreises, zu bedenken. Das westafrikanische Land leidet zwar bisher nicht unter Dürren, hat aber eine ausgeprägte Trockenzeit. Die Wasserspeicherung ist daher eine wesentliche Maßnahme, um die Vegetationsperiode zu verlängern. „Die meisten unserer Landwirte arbeiten nach traditionellen Methoden, die wir auch gerne bewahren möchten“, so der Minister. Dennoch versuche man, ihnen den Umgang mit modernen Technologien zu vermitteln, damit sie ihre Produktion intensivieren können.

„Im Süden und Osten Afrikas ist der Klimawandel dabei, die Produktionssteigerungen der vergangenen Jahre wieder zunichte zu machen“, mahnte die Kommissarin für Landwirtschaft und Ländliche Entwicklung bei der Afrikanischen Union, Tumusiime Rhoda Peace. Wichtig seien Investitionen in Forschung, denn nur mit angepasstem Saatgut könne die Landwirtschaft widerstandsfähiger gegen Klimaveränderungen werden. Zudem müsse der Sektor durch den Einsatz neuer Technologien vor allem für junge Menschen attraktiver gemacht werden. Sorge bereiten der AU-Kommissarin die zunehmenden Konflikte um den Zugang zu Wasser. Als Beispiel nannte sie den Nil, dessen Einzugsgebiet fast ein Viertel der afrikanischen Bevölkerung beherbergt und der das wichtigste Süßwasserreservoir der Region darstellt. Grenzüberschreitende Kooperationen und Aushandlungsprozesse sind nötig, um die nachhaltige Nutzung der knappen Ressource Wasser zu garantieren.

„Das Prinzip der nachhaltigen Nutzung bedeutet auch, dass nicht jedes Produkt an jedem Standort produziert werden kann", betonte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt auf dem Internationalen Wirtschaftspodium, das von der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft ausgerichtet wird. Und: „Wir brauchen die Wirtschaft für die Entwicklung und Umsetzung technischer Möglichkeiten.“ Allerdings warnte er mit Blick auf die Chancen von Digitalisierung und „Big Data“ vor zu starken Kon­zen­tra­tionsprozessen, die dazu führen, dass keine Lösungen mehr für regionale oder lokale Probleme angeboten werden. Und auch, wenn Kleinbauern nicht allein die Antwort auf die Frage der Welternährung sein könnten: „Wenn wir den Fokus nur auf Großbetriebe legen, riskieren wir, dass viele Menschen den Anschluss verlieren.“

„Wir nutzen die Möglichkeiten der Digitalisierung, um Wissen zu verbreiten“, beschrieb Thomas Böck, Mitglied der Konzernleitung beim Landmaschinenhersteller Claas, was er als eine der Aufgaben des Privatsektors betrachtet. Daten könnten gespeichert und mit lokalem Wissen kombiniert werden. Dies müsse sich nicht nur auf große Maschinen beziehen. Maßnahmen zur Verringerung von Bodenverdichtungen oder zum Sen­ken von Nährstoffeinträgen ließen sich auch auf die Produktionsbedingungen von Kleinbauern übertragen. Entsprechende Empfehlungen könnten diese beispielsweise über ihr Smartphone erhalten.

„Kein Land - außer vielleicht der eine oder andere Stadtstaat - hat es bisher aus der Armut geschafft, ohne die Kleinbauern einzubeziehen“, unterstützte auch Rodger Voorhies, Direktor der Stiftungsinitiative Finanzleistungen für Arme bei der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, die Forderung des deutschen Agrarministers. Hat ein afri­ka­nischer Kleinbauer etwa die Möglichkeit, bei Bedarf den Einsatz von Betriebsmitteln zu finanzieren, kann das die Produktivität seines Betriebes schnell um rund ein Viertel steigern. „Dies kann schon darüber entscheiden, ob er seine Kinder zur Schule schicken kann oder nicht“. erklärte Voorhies. Die Organisation fördert hierfür die Entwicklung digitaler Zahlungssysteme und arbeitet zudem an der „ersten digitalen Bodenkarte Afrikas“.

Und was kann die Politik tun?

„Richtige Anreize setzen, damit die Landwirte ihre Verhaltensmuster ändern“, meint der indische Agrarökonom und Politikberater Ashok Gulati. Viele Länder hätten ihre Landwirtschaft jahrelang subventioniert, um die Lebensmittelpreise niedrig zu halten. Dies habe zu einer massiven Verschwendung von Wasser und Energie geführt. Land­wirte sollten dafür entlohnt werden, Wasser einzusparen. Auch müsste die Handelspolitik verschiedener Länder so geändert werden, dass wasserintensive Kulturen nur dort angebaut werden, wo ausreichend Wasser vorhanden ist. Neben der Förderung entsprechender Technologien müssten vor allem die Institutionen gestärkt werden, die mit dem Wassermanagement betraut sind.

China hat bereits mehrere Schritte in diese Richtung getan, wie Landwirtschafts­mi­nis­ter Han Changfu verdeutlichte. Der Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln soll gesenkt werden, um die Verschmutzung der Gewässer zu reduzieren. Um die knappen Ressourcen besser zu verteilen, hat das Land Wassernutzungsrechte vergeben. Der Wasserverbrauch konnte so ...
  • von 392 Mrd.m³ im Jahr 1989
  • auf 387 Mrd. m³ im Jahr 2014 gesenkt werden.
Wer Wasser verschmutzt, muss zuden dafür zahlen. „Wir wollen eine grüne Entwicklung fördern, die es der Landwirtschaft ermöglicht, nachhaltig zu wirtschaften, aber gleichzeitig ihre Wettbewerbskraft zu steigern“, betonte der Minister.

Den Höhepunkt der dreitägigen Konferenz bildete die Berliner Agrarministerkonferenz, zu der sich auf Einladung von Bundesminister Christian Schmidt Agrarminister aus 83 Ländern sowie hochrangige Vertreter der Welternährungsorganisation FAO und der EU-Kommission trafen. In ihrem Abschlusskommuniqué verpflichteten sich die Politiker, sich für einen nachhaltigen Umgang mit der Ressource Wasser einzusetzen. Ihre Handlungs­empfeh­lun­gen dazu orientieren sich an vier zentralen Problembereichen:
  • dem Zugang zu Wasser für die Landwirtschaft,
  • der Verbesserung und Sicherung der Wasserqualität,
  • den Umgang mit zunehmender Wasserknappheit und
  • dem Management von Wasserüberschuss.

Nachhaltigkeitsziel Nr. 6

Zum Abschluss der Konferenz übergab Minister Schmidt das Kommuniqué an FAO-Gene­raldirekter José Graziano da Silva. Dieser erinnerte daran, dass die Welt­ge­mein­schaft bei der Verabschiedung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung - der Sustainable Development Goals, SDGs - im September 2015 auch den nachhaltigen Umgang mit Wasser festgeschrieben hat (Ziel Nr. 6). Die Hand­lungs­em­pfeh­lungen sollen helfen, die Umsetzung der Agenda 2030 aktiv voranzubringen. Zudem sollen sie beim heutigen G20-Agrarministertreffen in Berlin aufgegriffen und im weiteren G20-Prozess konkretisiert werden.

Das Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) wird seit 2009 im Rahmen der Internationalen Grünen Woche veranstaltet. Auf der hochkarätigen Konferenz treffen sich Experten aus der ganzen Welt, um über zentrale Zukunftsfragen der globalen Landwirtschaft und Welternährung zu diskutieren. In diesem Jahr stand das GFFA unter dem Motto "Landwirtschaft und Wasser - Schlüssel zur Welternährung".

Baulinks-Beiträge vom 27. und 28.1.2016

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