Bauletter, BAULINKS.de-Meldungen, vom 11.8.2019

Car-Sharing für den Klimaschutz kontraproduktiv?

Die Digitalisierung macht den Stadtverkehr grüner – so die weit verbreitete Meinung. „Sharing Apps, E-Mobilität und autonomes Fahren sind drei Trends, die das Potential bergen, das städtische Transportwesen komplett umzukrempeln“, erläutert Prof. Dr. Felix Creutzig, Fachgebiet „Sustainability Economics of Human Settlements“ an der TU Berlin. Aber das muss nicht immer positiv sein. „In einem ungünstigen Szenario könn­ten diese Trends den öffentlichen Personennahverkehr aushöhlen, die Zersiedelung von Städten fördern und das Verkehrsaufkommen mit seinen schädlichen Folgen stark erhöhen“, so der Wissenschaftler in einem aktuellen Artikel in der Zeitschrift Global Sustainability. Darin fordert er vor allem die kommunale Politik dazu auf, aktiv gestal­te­risch tätig zu werden. „Die Politik muss die Dynamik der Digitalisierung sinnvoll regulieren und so zu einem Hebel für mehr Nachhaltigkeit machen.“

Bis 2050 werden zwei Drittel der gesamten Menschheit in Städten leben. Die Struktur dieser Städte und ihre Digitalisierung – inklusive der Nutzung von Datentechnologien, künstlicher Intelligenz und Automatisierung wird die Emission von Treibhausgasen und damit den Klimawandel entscheidend prägen. In einem interdisziplinären Workshop mit Wissenschaftlern vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, der Technischen Uni­ver­sität München, dem Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, dem Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung und der Humboldt Universität zu Berlin, wurden sowohl die Chancen als auch die Risiken dieser Entwicklung diskutiert.

„Die Problematik lässt sich gerade beim Verkehr sehr gut verdeutlichen“, berichtet Felix Creutzig. So gibt es keinen Zweifel daran, dass die Verwendung von zum Beispiel Sharing Apps auf der einen Seite große Vorteile für den Verbraucher hat, wie zum Beispiel höhere Mobilität bei geringeren Kosten. Zusätzlich könnte die massive Ver­brei­tung solcher Sharing Apps den Bedarf für ein eigenes Auto senken und sich damit positiv auf den Straßenverkehr und die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs auswirken.

Wenn überall für wenig Geld ein Auto parat steht...

„Studien zeigen aber, dass solche Apps auch das genaue Gegenteil bewirken können“, so Felix Creutzig. „Wenn überall für wenig Geld ein Auto parat steht, nutzen die meisten Menschen eher das Auto als den Bus. Die hohe Verfügbarkeit induziert so überhaupt erst den Bedarf und lässt insgesamt die Anzahl der Autos und der gefah­re­nen Kilometer steigen.“ So untersuchte Anissa Yuniashaesa Suatmadi, eine Master­stu­den­tin von Prof. Creutzig, die Nutzung eines Motorad-Taxisystems in Jakarta, Indonesien (siehe ScienceDirect). Mit einem überraschenden Ergebnis: Zwar stellten vor allem Berufspendler ihre Mobilität auf den neuen Dienst um“, so Anissa Suatmadi, „aber der Effekt auf die Treibhausgasemissionen war vernachlässigbar oder sogar kontraproduktiv.“ Da der öffentliche Nahverkehr in Jakarta nur begrenzt funktioniert, stellten vor allem die Pendler auf das Motorad-Taxi um, die ansonsten öffentliche Kleinbusse nutzten. „Unser Ergebnis: Nur eine politisch regulierte Elektrifizierung der Motorradflotte als auch eine andere Preisgestaltung für Autofahrten könnten hier zu einem nachhaltigeren Verkehrssystem beitragen“, so Felix Creutzig.

Daneben kann die unregulierte Ausbreitung von Sharing-Diensten auch unerwünschte soziale Folgen haben. „Studien belegen, dass eine weit verbreitete, billige Tür-zu-Tür Transportmöglichkeit mittels autonomer Fahrzeuge oder Sharing-Apps klimatechnisch nicht unbedingt wünschenswert ist. Diese Angebote halten die Menschen davon ab, aktive Transportmittel wie Gehen oder Radfahren zu nutzen, die nachweislich nicht nur gesundheitliche, sondern auch klimatische Vorteile mit sich bringen“, weiß Prof. Dr. Helga Weisz, Professorin für industrielle Ökologie und Klimawandel an der Humboldt Universität zu Berlin. Ihrer Ansicht nach sollten Kommunalverwaltungen deshalb besonders darauf achten, aktive Verkehrsträger zu fördern.

digitale Machtkonzentratio

Ein weiterer Effekt der ständig wachsenden Nutzung von Sharing-Apps: Es kommt zu einer spezifischen digitalen Machtkonzentration. Denn die Sharing Unternehmen gewinnen aus den Apps eine Unmenge an Daten, mit denen sie ihre Angebote optimieren können. Öffentlichen Verkehrsplanern stehen diese dagegen nicht zur Verfügung.

„Der technologische Paradigmenwechsel als Folge der Digitalisierung zeigt: Die Risiken sozialer und ökologisch nicht nachhaltiger Ergebnisse sind groß. Aber: Wenn sie richtig verwaltet werden, können Entscheidungsträger Big Data, künstliche Intelligenz und Automatisierung für städtische Nachhaltigkeitsziele nutzen“, fasst Felix Creutzig zusammen.

konkrete Maßnahmen für die optimale Nutzung

Gerade in Städten wie Berlin könnte die Digitalisierung optimal für einen nachhaltigen Stadtverkehr genutzt werden. Um das zu erreichen, schlägt der Wissenschaftler drei konkrete Maßnahmen vor:
  1. Alle Kommunen sollten eine Querschnittseinheit „Digitalisierung“ etablieren, deren Aufgabe es ist, die Digitalisierung aller Abteilungen zu koordinieren und in engem Kontakt mit externen Partnern wie Unternehmen, NGOs oder auch Software-Entwicklern zu stehen.
  2. Der Aufbau von digitalen open-Source Plattformen, die eine nahtlose Integration aller vorhandenen Mobilitätsangebote ermöglichen.
  3. Städte und Kommunen müssen eine Digitalisierungs-Strategie entwickeln, die sich eng mit den traditionellen Belangen der Stadtplanung verzahnt.
„Es gibt keinen Grund, Big Data und Künstliche Intelligenz zu verteufeln oder zu verherrlichen“, weiß Felix Creutzig: „Aber Kommunen und andere öffentliche Stellen müssen endlich die Verantwortung übernehmen und die in ihren Städten erzeugten Daten und Technologien regeln, um ihre Vorteile für das Gemeinwohl zu nutzen und ihre Risiken zu minimieren.“

Baulinks-Beiträge vom 11. August 2019

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