Bauletter, BAULINKS.de-Meldungen, vom 03.07.2023

Energiedebatten – damals und heute

Selten hat ein Gesetzgebungsvorhaben derart die Gemüter erregt wie der Regierungsentwurf zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Zur Erinnerung: Die Energieeinsparung in Gebäuden ist seit 1952 in der DIN-Norm 4108 geregelt. Durch die Ölkrise 1973, verbunden mit einer Vervierfachung (!) des Ölpreises, rückte das Thema in den Fokus der Bundespolitik. Notgedrungen legte die sozialliberale Bundesregierung 1975 dem Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Einsparung von Energie in Gebäuden vor, eine mit nur elf Paragrafen überschaubare Initiative, die im Paragrafen 1 Absatz 1 festlegte: „Wer ein Gebäude errichtet, das seiner Zweckbestimmung nach beheizt oder gekühlt werden muss, hat den Wärmeschutz im Interesse einer sparsamen Energieverwendung … so zu entwerfen und auszuführen, dass bei der Beheizung und Kühlung vermeidbare Energieverluste unterbleiben.“ Was für eine Weitsicht. Die Regierung erhoffte sich von dem Gesetz eine Verringerung des Heizenergieverbrauchs, der in der damaligen Bundesrepublik 30 bis 40% des gesamten Energieverbrauchs ausmachte, um 25 bis 35%.

Damals wie heute verantworteten das Wirtschaftsministerium und das Bauministerium den Gesetzentwurf, damals wie heute befanden sich SPD und FDP in der Regierung und die CDU/CSU in der Opposition. Von Klimaschutz oder gar Kohlendioxid war damals nicht die Rede, allenfalls am Rande von Umweltschutz und Abgasbelastung. Im Zentrum der parlamentarischen Auseinandersetzung standen hingegen die Versorgungssicherheit bei gleichzeitig möglichst geringer Importabhängigkeit von ausländischem Erdöl und die Senkung der Energiekosten, nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen während der Ölkrise. Man mag sich den Bürgerkrieg nicht vorstellen, würde die Ampel heute ein Sonntagsfahrverbot auch nur in Erwägung ziehen.

Unvergleichlich die inhaltliche Qualität der damaligen Diskussionen im Bundestag und Bundesrat – wenngleich es noch vereinzelte Fürsprecher für den Kohlebergbau gab, wie den SPD-Abgeordnete Karl-Hans Kern („Wir wären schlecht beraten, wenn wir in dem augenblicklich stattfindenden Verdrängungswettbewerb zulassen würden, dass Förderkapazitäten an Kohle durch Öl und Erdgas vom Markt verdrängt würden“). Aber: Während heute die CDU in der Sache Fundamentalopposition betreibt, kündigte der damalige CDU-Abgeordnete Hermann Josef Russe die Zustimmung seiner Fraktion zum Gesetz an und stellte fest, dass „die Abhängigkeit unseres Industrielandes“ vom Ölimport „nahezu unverändert hoch sei“, dass die gegenwärtige Situation vor allem bei Erdöl, Erdölprodukten und Erdgas „besorgniserregend“ sei und dass es unvermindert notwendig sei, „alles zu unternehmen, was die Abhängigkeit von Energieimporten verringern kann“. Aus heutiger Sicht prophetisch mutet Russes Befürchtung an, dass man in Bezug auf rationellen Umgang mit Energie „erst am Anfang eines langen Weges“ stehe.

Weitaus achtsamer und emphatischer war auch die Kommunikation gegenüber den (finanziell) Betroffenen. So bat der SPD-Abgeordnete Erich Wolfram Bauherren und Mieter um Verständnis für verbindliche neue Auflagen, die sich „zunächst und vorübergehend“ in einer Größenordnung von zwei bis vier Prozent kostensteigernd auswirkten. Eine Wirtschaftlichkeitsklausel im Gesetz lege fest, dass die Anforderungen zur Einsparung von Energie nach dem Stand der Technik „erfüllbar und wirtschaftlich vertretbar“ sein müssen. Dadurch werde ein Missbrauch der Ermächtigungen durch „übertrieben hohe Anforderungen“ ausgeschlossen. Der zusätzliche Investitionsaufwand senke die Energie- und Betriebskosten: „Hausbesitzer und vor allem die Mieter werden also mittel- und langfristig finanzielle Vorteile aus den im Gesetz vorgeschriebenen Maßnahmen haben.“ Ein Satz, der bis heute Gültigkeit hat.

Der Bundestag beschloss das Gesetz in der vom Wirtschaftsausschuss geänderten Fassung einstimmig, die Zustimmung des Bundesrates folgte am 25. Juni 1976 und vier Tage später trat das Energieeinsparungsgesetz in Kraft, welches die Basis für die drei folgenden Wärmeschutzverordnungen (1977, 1984, 1995) war. So schnell kann´s gehen, wenn man sauber argumentiert und kommuniziert sowie eine zielgerichtete Oppositionspolitik betreibt.

Ihre Claudia Siegele
  

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