Bauletter, BAULINKS.de-Meldungen, vom 27.07.2023

Editorial: Gewicht sticht

Zu einer meiner unvergessenen Kindheitserinnerungen gehört das Autoquartett – im Gegensatz zum Gummitwist, das nur in den Pausen auf dem Schulhof spielbar war, ging Autoquartett immer und überall. Sogar heimlich während der Deutschstunde, wenn man nicht gerade das Ferrari-F40-Ass mit 478 PS in Händen hielt und selbstvergessen hinausprustete „324 km/h, sticht!!!“. Der kurze Triumph über die unterlegene Petra, die sonst immer mit ihrem Make-up aufzutrumpfen beliebte, war die Strafarbeit dann doch irgendwie wert.

Heute haben Smartphones solche Kartenspiele längst darnieder geappt. So ist es nun mal – die Zeiten ändern sich, aus PS wurden kW, und die Verbrenner werden von den Elektroautos abgelöst. Ja, die Umwelt und das CO2 – Schluckspechte und PS-Boliden sind irgendwie aus der Zeit gefallen. Sind sie das? Oder haben bullige, leistungsstarke und schwere SUVs die Sprit fressenden Audi Quattros der 80er nur abgelöst? Sind Kleinwagen besser, und wie sieht´s mit den CO2-Emissionen im Vergleich aus?

Um diesbezüglich den Käufer nicht zu täuschen, trat am 1. Dezember 2011 die Pkw-Energiekennzeichnungsverordnung in Kraft (Pkw-EnVKV), deren Novellierung aktuell wegen Disharmonie mit der EU-Gesetzgebung ansteht. Die Novelle wird indes von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) heftig kritisiert, weil sich mit der aktuellen Fassung die Verbraucheraufklärung bezüglich klimaschädlicher Neuwagen deutlich verschlechtert.

So beklagt die DUH, dass...

  • die Umweltinformationen nicht mehr zeitgleich mit Angaben zu Motorstärke oder Beschleunigungswerten erscheinen müssen, was Käufern das schlechte Umweltgewissen ersparen würde, wenn sie mit Umweltschleudern liebäugeln;
  • offensichtlich mehrere Verordnungsentwürfe existieren, die das Ministerium ausschließlich mit der Automobilwirtschaft abgestimmt hat und unter Verschluss bleiben bzw. nur auf dem Klageweg einsehbar werden, den die DUH auch beschreiten will;
  • Autos mit Verbrennungsmotor selbst bei hohen CO2-Emissionen im grün-gelb markierten Bereich eingestuft werden.

Besonders fatal: Ausgerechnet bei den Elektroautos sollen auch extrem stromintensive Elektro-Stadtpanzer in der besten Effizienzklasse erscheinen. Damit erschwert der Entwurf der neuen Pkw-Verbrauchskennzeichnung die Auswahl sparsamer Fahrzeuge. Doch die bisherige und noch gültige Verordnung hat ebenso Schwachstellen, weil die Kriterien zur Umweltbewertung bzw. Effizienz in den CO2-Labels äußerst verwirrend sind.

Jeder Autohändler muss das CO2-Label bis jetzt zwar gut sichtbar an seinen Vorführ- und Verkaufsmodellen anbringen, allerdings zeigt ein Vergleich des ADAC, dass ein großes Auto, das fast doppelt so viel wiegt, aber nicht doppelt so viel verbraucht wie ein Kleinwagen, als genauso oder ähnlich effizient durchgeht wie ein kleines Auto. Konkretes Beispiel:

  • Ein Kleinwagen wie der Opel Crossland X mit 1,2-Liter-Benzinmotor (61 kW/83 PS) wiegt 1.174 Kilogramm, verbraucht nach NEFZ 5,1 Liter Super pro 100 Kilometer und emittiert 116 Gramm CO2 pro Kilometer. Mit diesen guten Werten landet der Kleinwagen in der Effizienzklasse C.
  • Hingegen bringt der Volvo XC90 T6, 300 PS stark, mit 2.140 Kilo fast das Doppelte an Gewicht auf die Waage. Und man staune: Mit einem Verbrauch von 8,1 Liter Super und entsprechend 187 Gramm CO2 pro Kilometer wird der SUV in die gleiche Klasse eingeteilt.

Es zählen also nicht die absoluten Verbrauchswerte, sondern die Werte in Relation zum Gewicht. Im Prinzip lässt sich das nachvollziehen: Eine Maus benötigt schließlich auch viel weniger Nahrung zum Überleben als ein Elefant. Und ein Kühlschrank mit einem großen Volumen braucht mehr Energie als einer, in den nicht viel hineinpasst. Aber was sagt dies dem Kunden? Ein Kleinwagen lässt sich mit einem SUV hinsichtlich Effizienz nur schwer bis unmöglich vergleichen, zumal verbrauchsarme Leichtgewicht-Kleinwagen vielfach beim roten Balken landen, während große, schwere PKW mit hohem Verbrauch in einer grünen Effizienzklasse mit kurzem Verbrauchsbalken landen. Das kann es ja auch nicht sein, weshalb die Novellierung der PkW-EnVKV auch aus diesem Grund überfällig ist.

Klar, dass sich die Automobilindustrie es sich als Insider der Thematik nicht nehmen lässt, der Bundesregierung mit guten Tipps und – noch selbstloser – gleich mit einem kompletten Verordnungsentwurf zur Seite zu springen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, findet diesbezüglich klare Worte: "Dieser Verordnungsentwurf konterkariert Sinn und Zweck der Pkw-Verbrauchskennzeichnung. Nicht nur dass er fünf Jahre zu spät vorgelegt wird: Er erfüllt auch den seit zwanzig Jahren bestehenden Herzenswunsch der Automobilwirtschaft, bei der Werbung für Power, Beschleunigung und Höchstgeschwindkeit des Neuwagens nicht unmittelbar auf die damit verbundenen CO2-Emissionen und den Spritverbrauch hinweisen zu müssen. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte: Ausgerechnet der GRÜNE Klimaschutzminister schleift den Verbraucherschutz bei der Werbung von Klimakiller-Neuwagen. Das, was selbst die FDP-Wirtschaftsminister Rösler und Brüderle bei der letzten Novelle der Verordnung nicht gewagt haben – Habeck will Autokonzerne davon befreien, bei Online-Werbung die Umwelt-Pflichtangaben zeitgleich mit den Angaben zur Motorisierung machen zu müssen. Das stärkt den aktuellen Trend zu immer größeren und schwereren Verbrenner- wie Elektro-SUV. Dazu passt, dass Vertreter der Automobilwirtschaft bei der Behördenanhörung zur Novelle der Pkw-EnVKV selbstbewusst kundtun, diese Verschlechterung der Verbraucherinformation bewusst hineinverhandelt zu haben."

Tja, die Karten sind neu gemischt. „Gewicht, sticht!“

Ihre Claudia Siegele

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