Bauletter, BAULINKS.de-Meldungen, vom 14.08.2023

Editorial: Not healthy as best

Es ist ein Teufelszeug und am Bau immer noch die Nummer 1 der Berufskrankheiten mit Todesfolge: Asbest. In Deutschland sind zwar seit 1993 asbesthaltige Bauprodukte konsequent verboten, dennoch ist man bei Sanierungen nicht davor gefeit, auf dieses gesundheitsgefährdende silikatische Mineral zu stoßen, dessen mikrometerfeine Fasern beim Einatmen von Asbeststaub zum Ausbruch von Lungenkrebs führen können.

Solange der Stoff verbaut ist, besteht in der Regel keine Gefahr. Doch bei Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten können Asbeststäube beispielsweise aus Fliesenklebern, Spachtelmassen, Putzen oder Estrich freigesetzt und von Beschäftigten eingeatmet werden. Mit schwerwiegenden Folgen: Asbestfasern können Krankheiten wie Asbestose, Lungenkrebs oder Mesotheliom, die in der Regel tödlich enden, verursachen. In den vergangenen zehn Jahren sind 3.376 Versicherte der BG BAU infolge einer asbestbedingten Berufserkrankung gestorben, allein im Jahr 2022 waren es 320.

Auch die Zahl der Neuerkrankungen nahm im vergangenen Jahr zu. So wurden der BG BAU im Jahr 2022 insgesamt 2.414 neue Verdachtsfälle asbestbedingter Berufserkrankungen gemeldet. Davon entfiel mit 1.291 Verdachtsanzeigen mehr als die Hälfte auf Lungenkrebs, Kehlkopfkrebs oder Eierstockkrebs durch Asbest (2021: 1.290), gefolgt von Asbestose mit 716 Verdachtsanzeigen (2021: 670). Bis zu 30 Jahre können vergehen, bis es zur tragischen Diagnose kommt: Asbestose – mit Lungen-, Bauchfell- oder Kehlkopfkrebs.

Norbert Kluger, Leiter der Abteilung Stoffliche Gefährdungen der BG BAU: „Asbest ist ein nach wie vor aktuelles Problem, denn wir müssen bei Bestandsbauten immer davon ausgehen, dass Asbest enthalten sein kann. Sollen Arbeiten im Bestand stattfinden, ist vorab eine genaue Recherche und möglicherweise eine Materialanalyse unerlässlich. Danach müssen entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen werden.“

Die gute Nachricht ist: Effektiver Schutz vor der tödlichen Faser ist möglich und machbar. Besonders wichtig ist es, staubarm zu arbeiten. Wo Stäube entstehen, müssen diese abgesaugt und gefiltert werden. Betroffene Arbeitsbereiche sind von anderen Bereichen abzuschotten, damit Asbest nicht verschleppt wird. Bei Gefährdungen sind Atemschutzmasken und staubdichte Schutzanzüge erforderlich.

Trotzdem ist Vorsicht beim Sanieren alter Gebäude angesagt: „Von 1950 bis 1989 kamen Asbest-Baustoffe intensiv zum Einsatz. In der Zeit wurden bundesweit gut 9,4 Millionen Wohnhäuser neu gebaut. Das ist mehr als der Hälfte aller Wohngebäude in Deutschland. Es ist davon auszugehen, dass es in jedem Gebäude, das in diesen vier Jahrzehnten gebaut, modernisiert oder umgebaut wurde, Asbest gibt. Mal mehr, mal weniger“, sagt Carsten Burckhardt, im Bundesvorstand der IG BAU für die Bauwirtschaft und den Arbeitsschutz zuständig. Er verweist dabei auf eine „Situationsanalyse Asbest“, die die Bau-Gewerkschaft beim Pestel-Institut (Hannover) in Auftrag gegeben hat.

„Altbauten sind ein Millionen Tonnen schweres Asbest-Lager. Die krebserregende Mineralfaser steckt in vielen Baustoffen. Die ‚Asbest-Fallen‘ lauern überall: Asbest ist oft im Putz und sogar in Spachtelmassen und Fliesenklebern“, sagt Carsten Burckhardt. Ein großes Problem sei Spritz-Asbest: „Hier sind die Asbestfasern schwächer gebunden. Sie können deshalb leichter freigesetzt werden. Vor allem Aufzugsschächte sowie Schächte mit Versorgungs- und Entsorgungsleitungen wurden früher intensiv mit Spritzasbest verkleidet“.

Da es Fahrstühle vorwiegend in großen Gebäuden gebe, hätten diese aktuell das höchste Risiko einer Asbest-Belastung: „Bundesweit gibt es gut 3 Millionen Wohnungen, die in den vier Jahrzehnten ab 1950 in Mehrfamilienhäusern mit 13 und mehr Wohnungen neu gebaut wurden. Bei einer Sanierung im bewohnten Zustand ist es wichtig, hier mit allergrößter Sorgfalt professionell vorzugehen“, mahnt der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther.

Insgesamt sind nach Angaben des Pestel-Instituts von 1950 bis 1990 rund 4,35 Millionen Tonnen Asbest (Ost- und Westdeutschland) importiert worden. Daraus seien rund 3.500 Produkte hergestellt worden – die meisten davon für den Baubereich. „73% des Asbestes gingen in die Produktion von Asbest-Zementprodukten: Aus rund 32 Millionen Tonnen Asbest-Zement entstanden vor allem Rohre, Fassadenverkleidungen und Dacheindeckungen – die alten Eternitplatten“, so Herr Burckhardt.

Die Bau-Gewerkschaft fordert deshalb eine intensive Asbest-Aufklärung: „Bauarbeiter und Heimwerker müssen wissen, wie der optimale Schutz vor Asbest aussieht. Und das muss den Menschen in der Sprache gesagt werden, die sie verstehen – den ausländischen Beschäftigten also auch in ihrer Muttersprache“, sagt Carsten Burckhardt. Er fordert deshalb eine Informationskampagne des Bundes und der Länder sowie intensivere Arbeitsschutzkontrollen durch die Länder. Dazu sei ein Aufstocken des Kontrollpersonals dringend notwendig. Zudem müssten die Länder Baustellen bei ihren Kontrollen stärker als bislang in den Fokus nehmen und beim Asbest-Arbeitsschutz einen Schwerpunkt setzen.

Ihre Claudia Siegele
  

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