Bauletter, BAULINKS.de-Meldungen, vom 24.08.2023

Editorial: Klimaschutz-light

Die Bundesregierung lässt die künftige Entwicklung der Klimagas-Emissionen regelmäßig auf Grundlage der beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen von wissenschaftlich unabhängiger Seite abschätzen – die Ergebnisse fasst ein sogenannter Projektionsbericht zusammen. Dieser erstmals 2021 erschienene, von einem Forschungskonsortium erarbeitete Bericht wird seit 2023 jährlich im Auftrag des Umweltbundesamts erstellt. Hintergrund: Bis 2030 darf Deutschland nur noch 440 Mio. Tonnen an Klima- bzw. Treibhausgasen ausstoßen, um sein Klimaziel – 65% weniger Emissionen als 1990 – einzuhalten. Bis dahin steht für jedes Jahr eine Gesamtmenge an zulässigen Emissionen zur Verfügung. Ob Deutschland dieses Budget einhält oder nicht, ermittelt jeweils der Projektionsbericht, der die Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Deutschland in zwei Szenarien beschreibt.

Dem aktuellen Bericht zufolge schafft es Deutschland mit den bis jetzt beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen definitiv nicht, bis 2030 das 65%-Ziel einzuhalten. So käme Deutschland lediglich auf eine Minderung von 63 statt 65%. Insgesamt bleibt eine Lücke von 331 Mio. Tonnen Treibhausgasen im Vergleich zu den Zielen des Bundes-Klimaschutzgesetzes. Diese Lücke kann mit zusätzlichen Maßnahmen auf 194 Mio. Tonnen Treibhausgase reduziert werden. Die Auswertung zeigt zudem: Bis zum Jahr 2045 wird das Ziel der Treibhausgasneutralität in beiden Szenarien vollständig verfehlt. Mit den aktuell beschlossenen Maßnahmen verbleiben noch 212 Mio. Tonnen Treibhausgase in der Atmosphäre und selbst mit weiteren geplanten, aber noch nicht umgesetzten Maßnahmen wären es noch 157 Mio. Tonnen Treibhausgase.

„Im Vergleich zum letzten Projektionsbericht von 2021 sehen wir zwar deutliche Verbesserungen, die vor allem auf den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und den vorzeitigen Kohleausstieg zurück geführt werden können,“ resümiert Ralph O. Harthan, Co-Projektleiter und Experte für Klimaschutzszenarien am Öko-Institut, „dennoch muss die Bundesregierung weitere Schritte unternehmen, um die Lücke bis 2045 zur Netto-Null bei den klimaschädlichen Treibhausgasemissionen zu schließen.“

Im Projektionsbericht wird deutlich, dass die verschiedenen Sektoren einen unterschiedlich hohen Anteil an den Emissionsminderungen haben: „Weiterhin trägt die Energiewirtschaft am stärksten zu den Emissionsreduktionen bei. Darüber hinaus wirken beispielsweise auch klimafreundliche Herstellungsverfahren und Energieeffizienzmaßnahmen in der Industrie oder die CO2-Bepreisung und Emissionsstandards im Verkehr“, erläutert Dr. Hannah Förster, Co-Projektleiterin und Expertin für Klimaprojektionen am Öko-Institut. „Sektorübergreifend sorgen der EU-Emissionshandel und die Lastenteilungsrichtlinie für sinkende Emissionen.“

Das Forschungsteam beschreibt die Entwicklung der Treibhausgas­emissionen für alle Sektoren in zwei Szenarien: in einem Mit-Maßnahmen-Szenario (MMS) sowie in einem Mit-Weiteren-Maßnahmen-Szenario (MWMS), die jeweils den Zeitraum von 2021 bis 2050 abdecken. Im MMS sind alle Maßnahmen enthalten, die die Bundesregierung bis zum 31. August 2022 beschlossen hat. Im MWMS sind alle geplanten Instrumente und Maßnahmen enthalten, die eine realistische Chance haben, verabschiedet zu werden.

Nach Sektoren getrennt ergeben sich im Projektionsbericht 2023 folgende keineswegs zufrieden stellende Ergebnisse:

  • Gebäude: 2030 werden im MMS 78 Mio. CO2-Äquivalente (Mio. Tonnen CO2e) und im MWMS 68 Mio. Tonnen CO2e emittiert – es bleibt eine Lücke von 96 Mio. bzw. 34 Mio. Tonnen CO2e im Vergleich zu den Zielvorgaben. Wichtigster Hebel für zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudebereich ist eine ambitionierte Umsetzung der Beschlüsse des Koalitionsvertrags, insbesondere das Ziel, dass neueingebaute Heizungen zu 65% erneuerbare Energien – in Form von Wärmepumpen, Fernwärme und Biomasse – nutzen.

  • Energiewirtschaft: In der Energiewirtschaft geschieht der Großteil der Emissionsreduktionen bereits bis zum Jahr 2030 und verlangsamt sich danach. So sinken die Emissionen bis 2030 im MMS auf 80 Mio. Tonnen CO2e, im MWMS auf 78 Mio. Tonnen CO2e. Das entspricht einer Übererfüllung bis 2030 von 38 Tonnen CO2e im MMS und von 37 Mio. Tonnen CO2e im MWMS.

  • Verkehr: Im Verkehr werden die Ziele des Klimaschutzgesetzes bis 2030 jährlich verfehlt und es baut sich im MMS eine Emissionsminderungslücke in der Höhe von 210 Mio. Tonnen CO2e auf. Werden zusätzliche Maßnahmen im MWMS umgesetzt, kann sich diese Lücke auf 187 Mio. Tonnen CO2e verringern. Ein Grund für die mangelnde Klimaschutzleistung im Verkehr ist der geringe Bestand an batterieelektrischen Pkw, der mit nur 8,2 Mio. Fahrzeugen die Zielmarke von 15 Mio. im Jahr 2030 nicht erreicht.
  • Industrie: In der Industrie sinken die Emissionen zwischen 2022 und 2030 im MMS auf 127 Mio. Tonnen CO2e und im MWMS auf 120 Mio. Tonnen CO2e. Damit entsteht eine Lücke von 83 bzw. 51 Mio. Tonnen CO2e. Die wirkmächtigsten Klimaschutz­instrumente sind die Programme zur Förderung klimafreundlicher Herstellungsverfahren, der EU-Emissionshandel und das Maßnahmenbündel zur Steigerung der Energieeffizienz.

Schon das zähe Ringen um verbindliche CO2-Grenzwerte bei den Klimakonferenzen hat deutlich gemacht, dass es ein schwieriger Weg wird, das in Paris de facto vereinbarte 1,5-Grad-Ziel für das weltweite Klima umzusetzen. Deutschland hat sich dazu verpflichtet, die dazu nötigen CO2-Einsparungen umzusetzen, jedoch viel zu spät – und erst unter dem Druck der Konsequenzen aus dem Krieg Russlands gegen die Ukraine – damit angefangen, die entsprechenden Gesetze und Taten folgen zu lassen. Nun droht selbst eine Ampel-Regierung mit Beteiligung der Grünen die Bankrotterklärung bei den selbst auferlegten Klimaschutzzielen – die Zeit für Klimaschutz-light ist längst vorbei, uns zerrinnt die verbleibende Zeit zwischen den Fingern. Das zeigt die nahezu lineare Beziehung zwischen kumulativen CO2-Emissionen und dem Temperaturanstieg. Alles halb so schlimm? Heiße Sommer und Waldbrände gab´s schon vor 50 Jahren? Ja, ab und zu. Und viel öfter weiße Weihnacht und keine schmelzenden Gletscher. Neulich habe ich ein Zitat zugespielt bekommen: „Mit gewissen Menschen lohnt es sich einfach nicht, zu diskutieren. Bienen verschwenden ihre Zeit auch nicht damit, Fliegen zu erklären, dass Honig besser ist als Scheiße.“ Ziemlich krass, gebe ich zu – aber ich verstehe die emsigen Bienchen ganz gut.

Ihre Claudia Siegele
  

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